Andreas Kranebitter
Andreas Kranebitter, Leiter des DÖW, sagt über die FPÖ: "Wenn es gegen uns geht, zeigt sie ihr wahres Gesicht."
APA/ROLAND SCHLAGER

Neben dem ORF ist das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) so etwas wie der Lieblingsfeind der Freiheitlichen. Die Arbeit des DÖW sei "unwissenschaftlich", und überhaupt sei es eine "kommunistische Tarnorganisation", ist seit Jahrzehnten immer wieder von Neonazis, Holocaustleugnern und eben höchsten FPÖ-Politikern und -Politikerinnen zu hören. Das Kalkül dieser Polemik ist offensichtlich: Die Erforschung des Widerstands gegen den NS-Terror sowie die Arbeit im Bereich Antisemitismus und Rechtsextremismus soll diskreditiert werden. Besonders laut sind diese Angriffe, wenn rechtsextreme Umtriebe von Freiheitlichen von Medien aufgegriffen werden. Aktuell werden altbekannte Unterstellungen von FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker aufgewärmt.

"Es ist mehr als bezeichnend, dass die FPÖ seit Jahrzehnten gegen eine von Widerstandskämpfer*innen, Holocaustüberlebenden und aus dem Exil Zurückgekehrten gegründete Organisation zu Felde zieht – wir sind nicht nur als Forschungseinrichtung ein Seismograf, sondern auch für den Zustand der FPÖ im Allgemeinen: Wenn es gegen uns geht, zeigt sie ihr wahres Gesicht", sagt DÖW-Leiter Andreas Kranebitter dazu.

Gedenkarbeit, Schulprojekte und Forschung

Hafenecker betrachtet das DÖW, das von Widerstandskämpfern und -kämpferinnen und Überlebenden der NS-Mordmaschinerie ins Leben gerufen wurde, als einen "Privatverein, der in Österreich ein Klima der Gesinnungs- und Meinungsunterdrückung schafft". Er behauptet zudem, dass das DÖW Steuergelder sammelt, um "linke Agitation zur gezielten Denunziation" zu betreiben. Aus diesem Grund hat Hafenecker vor einigen Monaten Anfragen an Ministerien gestellt, um herauszufinden, wofür das Dokumentationsarchiv subventioniert wird. Die Antworten besagen, dass die Subventionen für Gedenkarbeit, Schulprojekte und Forschung verwendet werden, insbesondere zu Themen wie "Massendeportationen und Bestimmungsorte – die Lebensbedingungen der aus Wien deportierten Jüdinnen und Juden".

Die Legende von der "kommunistischen Tarnorganisation"

Für die Angriffe gegen das DÖW wird auch immer wieder ein Gerichtsurteil erwähnt, das es erlauben würde, das DÖW eine "kommunistische Tarnorganisation" zu nennen. Dabei handelt es sich jedoch um eine Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 4. Mai 1998, in der ein Rechtsextremer wegen übler Nachrede rechtskräftig zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt wurde.

Die Vorgeschichte: Im Jahr 1992 ritt der Autor Friedrich Romig in einem Artikel der mittlerweile eingestellten rechtsextremen Zeitschrift "Aula" scharfe Attacken gegen das Dokumentationsarchiv. Unter anderem verteufelte er es als eben jene "Tarnorganisation" und bezeichnete Wolfgang Neugebauer, den damaligen wissenschaftlichen Leiter, als "Denunzianten". Neugebauer klagte auf üble Nachrede, Romig wurde daraufhin in einigen Punkten rechtskräftig zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt.

Einzelne Passagen allerdings qualifizierte das Oberlandesgericht als "Werturteile im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung" und stellte sie straffrei. Der Richter folgte damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts für Menschenrechte. Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht solche Behauptungen für richtig hält. Nach der gleichen Judikatur wurde beispielsweise "auch die Bezeichnung 'Trottel' für einen österreichischen Politiker unter bestimmten Umständen durch den Schutz der Meinungsfreiheit als gedeckt erachtet", hielt der parteifreie Justizminister Nikolaus Michalek in einer Anfragebeantwortung dazu fest.

Christian Hafenecker
Generalsekretär Christian Hafenecker (FPÖ) hat vor einigen Monaten Anfragen an Ministerien gestellt, um herauszufinden, wofür das Dokumentationsarchiv subventioniert wird.
APA/HELMUT FOHRINGER

Rechtsextremismusbericht  

FPÖ-Generalsekretär Hafenecker ist auch ein Dorn im Auge, dass das DÖW derzeit einen Rechtsextremismusbericht für das Justiz- und Innenministerium erstellt. Dazu stellte er in den Raum, das Archiv würde über diese Zusammenarbeit geheimdienstliche Informationen bekommen. Die Aussage ist falsch. Auch hält Innenminister Gerhard Karner erst vor wenigen Wochen fest: "Im Rahmen der öffentlichen Ausschreibung zur Erstellung des Rechtsextremismusberichts wurden sämtliche Bieter – so auch das DÖW – einer Überprüfung unterzogen. In diesem Rahmen konnten keine Tatsachen festgestellt werden, die an der erforderlichen Objektivität zweifeln lassen."

Spende von Armin Wolf

Neben den polemischen Attacken hat Hafenecker dem DÖW übrigens auch eine Geldspende beschert. Für eine falsche Behauptung musste der FPÖ-Generalsekretär dem ORF-Journalisten Armin Wolf eine Entschädigung zahlen. "Seine Entschädigungszahlung von € 1.000 spende ich dem @doew_at für seine wichtige Arbeit", schrieb Wolf auf X, vormals Twitter.

Wie stark die FPÖ-Spitze auf das DÖW reagiert, zeigte sich, als der heutige "Krone"-Journalist Rainer Nowak als möglicher Generaldirektor des ORF zur Diskussion stand. Die FPÖ war dagegen, da Nowak als damaliger "Presse"-Chefredakteur kritische Kommentare verfasste und einmal Zivildiener beim DÖW war, wie in internen Chats zu lesen war.

2019 umgarnten Freiheitliche das DÖW

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass die Blauen das DÖW umgarnten und ihm Blumen streuten. Als sie Material für ihren 2019 vorgestellten "Historikerbericht" über die Geschichte und "braune Flecken" der Partei suchten, wurde die FPÖ im Dokumentationsarchiv vorstellig. Parteigranden dachten sogar laut über eine mögliche Mitarbeit sowie Mithilfe von Wissenschafter und Wissenschafterinnen des DÖW an dem Bericht nach.

Dazu kam es allerdings nicht. Der Bericht entpuppte sich bei seiner Präsentation zu einem guten Teil als unwissenschaftliches Dokument ohne großen Wert, der für die Partei heikle Themen wie die Verbindungen zu deutschnationalen Burschenschaften größtenteils aussparte und sich streckenweise wie Schönfärberei liest. Dazu wurden Teile einfach von Wikipedia oder aus den Arbeiten der renommierten Wissenschafterin Margit Reiter wortwörtlich abgeschrieben.

Jörg Haider ließ Handbuch beschlagnahmen  

Die Wertschätzung seitens der FPÖ war auch nur von kurzer Dauer. Das DÖW war spätestens nach der Veröffentlichung des Berichts wieder das alte Feindbild, gegen dessen "Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus" im Jahr 1993 der damalige Parteichef Jörg Haider juristisch vorging. Am Tag der Präsentation erwirkte er eine Verfügung, die darauf abzielte, den Vertrieb zu beenden. Und zwar, weil auf dem Cover ein Porträtfoto von Haider und die von Neonazis beliebte "Reichskriegsflagge" zu sehen war. Für Haider und seinen Anwalt, den späteren Justizminister Dieter Böhmdorfer, eine unredliche Kombination. Das DÖW reagierte, indem es das Foto Haiders schwarz übermalte oder mit Stickern überklebte. Mit dieser Lösung konnte das Buch wieder verkauft werden und war – dank der enormen Publicity – monatelang in den Bestsellerlisten zu finden.

Später deckte der STANDARD auf, dass Haider in jenen Jahren mit militanten Neonazis beim Heurigen war, die in jenen Jahren selten ohne "Reichskriegsflagge" unterwegs waren. Heute sind Aktivisten von damals in der FPÖ zu finden – als Funktionäre oder Mitarbeiter.

Seit über 20 Jahren gegen "linken" Antisemitismus  

Neben Rechtsextremen wird das DÖW auch von Organisatoren israelfeindlicher Demonstrationen nach dem Terrorüberfall der Hamas am 7. Oktober 2023 als Gegner gesehen, da es seit mehr als 20 Jahren immer wieder Antisemitismus im linken Gewand zum Thema macht. Dessen Gefährlichkeit liege darin begründet, dass die Linken "im Unterschied zu Rechtsextremen dies jedoch in Abrede stellen und so bei Menschen Gehör finden, die sich ansonsten solch einer Propaganda verschließen würden". Im "linken Mäntelchen" sei das Ressentiment von vielen nicht so rasch als solches zu erkennen, heißt es in einem Papier des DÖW aus dem Jahr 2003. (Markus Sulzbacher, 10.1.2024)